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Unser Überleben hängt am Frieden


Klimaschutz ist wichtig. Aber noch viel wichtiger ist, die Kriege und Konflikte in und um Europa herum einzudämmen. Darum sollten sich gerade die Jungen sorgen – mit einer neuen Friedensbewegung

Ernst und Irrsinn liegen oft nah beieinander. Über die Jahreswende war die Aufregung bei uns wieder einmal groß – um ein harmloses Video. Diesmal nicht von Rezo, sondern das Oma-Umweltsau-Liedchen des Dortmunder WDR-Kinderchors. Eine mittlere Staatsaffäre, zumindest nach den in den Medien und auf Online-Plattformen veröffentlichten Meinungen. Verhandelt wurde zum x-ten Mal die Großfrage: Was darf Satire? In Deutschernstland im Zweifel: nichts.

Natürlich sind der Schutz der Atmosphäre wie der Gesellschaft vor Überhitzung ernste Sachen. Respekt vor Alten ebenso. Aber der Eifer, mit dem hierzulande über die CO2-Lebensleistung von Omas oder die Klimabelastung durch Steaks und Musikstreamen disputiert wird, ist an Lächerlichkeit kaum zu überbieten. Habt ihr keine anderen Sorgen?, möchten man da fragen.

Die Iran-Krise hat die nervöse Nation kurzfristig auf den Boden der internationalen Realität runtergeholt. Der Dritte Weltkrieg, den manchen in neuerlichem Gedanken-Übersprung schon heraufbeschworen als näherliegenden Weltuntergang statt der Klimakatastrophe, ist zwar einstweilen ausgeblieben. Wie nicht anders zu erwarten. Doch die Lage im Mittleren Osten, und nicht nur dort, bleibt äußerst angespannt. Donald Trump setzt seinen Wirtschaftskrieg gegen Iran mit neuen Sanktionen fort, worunter vor allem die Menschen in dem Land leiden, von denen viele jetzt wieder gegen die islamistischen Diktatoren auf die Straße gehen unter Lebensgefahr, nachdem die Mullah-Führung zugeben musste, die ukrainische Zivilmaschine mit auch vielen Iranern an Bord abgeschossen zu haben.

Der Iran könnte uns schon bald mit Atomraketen bedrohen

Die wiederum hat sich vom Atomabkommen, das Trump einseitig aufgekündigt hat, endgültig verabschiedet und wird weiter an der Bombe bauen lassen. Bei den Gegenschlägen gegen US-Stützpunkte im Irak hat das Land gezeigt, dass es mit seinen Raketen sehr präzise treffen kann. Die Vorstellungen, dass diese bis nach Europa reichenden Geschosse in absehbarer Zeit atomar bestückt sein könnten, lässt schaudern.

Das alles wäre Grund genug, sich ernste Sorgen zu machen über die verschiedenen Brandherde in der europäischen Peripherie, zu denen neben der Ukraine und Syrien, wo Assad mit russischer Hilfe weiter auf dem Vormarsch ist und Erdoğan weiterhin gegen die Kunden und andere Minderheiten Krieg führ, dem Irak und Jemen auch Libyen gehört, der Hotspot der Fluchtbewegung, in dessen Bürgerkrieg nun auch die Türkei eingreift und wo die Kämpfe trotz der von Merkel organisierten Libyen-Konferenz unvermindert weitergehen. Aber viele Deutsche beschäftigten sich nach dem »Omagate« nun lieber mit der Bonpflicht. Und die EU reagierte wie immer rat- und machtlos. Auch das lässt schaudern.

Die wichtigste Menschheitsfrage

Klimaschutz und die Meinungsfreiheit sind zweifellos wichtige Themen. Aber ohne Frieden und Freiheit ist alles nichts. Deshalb wäre – auch angesichts des neuerlichen Wettrüstens zwischen den USA, Russland und China – neben der Klima- eine neue Friedensbewegung dringend vonnöten.

Die Verhinderung von Krieg in einer extrem unsicheren Welt: Das bleibt eine, wenn nicht: die zentrale Menschheitsfrage. Die Lage ist zu Beginn des neuen Jahrzehnts extrem bedrohlich: Die USA sind kein verlässlicher Partner mehr, mit und ohne Trump. Den Westen als Werte- und Sicherheitsgemeinschaft gibt es nicht mehr, die EU bröckelt, die Briten ziehen nun ihre eigenen isolationistischen Brexit-Bahnen, Nationalisten und Fremdenfeinde sind überall auf dem Vormarsch. Der Islamismus mit seinem Terror stellt eine manifeste Gefahr dar, auch bei uns. Der chinesische Neoimperialismus nicht minder. Dazu kommen Putin und Erdoğan mit ihren eigenen Kriegszügen, und clowneske demokratische Führer wie Trump und Boris Johnson, die vor nichts zurückschrecken.

Darum sollten sich die Deutschen sorgen. Nicht um Omalieder, Klima“sünden“ und ähnliche Nichtigkeiten.

(Bearbeitete Fassung meiner neuen Kolumne in der Zeitung „Politik & Kultur“ des Deutschen Kulturrates)